Warum Sucht oft leise beginnt und was Unternehmen tun können
Alkohol am Arbeitsplatz ist kein neues Thema. Und doch gehört es zu den Bereichen, über die in vielen Betrieben eher hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Dabei beginnt eine Sucht selten mit der Flasche im Spind – sondern viel früher. Und oft unbemerkt.
Stress, Leistungsdruck, private Belastungen – der Griff zum Glas scheint für viele erst einmal harmlos. Ein Feierabendbier gegen das Gedankenkarussell. Ein Glas Wein, um besser abschalten zu können. Doch genau darin liegt die Gefahr.
Alkohol – gesellschaftlich akzeptiert, aber nicht harmlos
Alkohol ist in unserer Gesellschaft überall präsent. Er gehört zum Geschäftsessen, zur Weihnachtsfeier, zum After-Work-Drink. Wer nicht trinkt, muss sich häufig erklären – wer mittrinkt, gehört dazu.
Diese Normalität macht es so schwer, die Warnzeichen zu erkennen. Denn: Alkoholkonsum wird erst dann zum Problem, wenn er regelmäßig zur "Lösung" wird.
- Zum Runterkommen
- Zum Aushalten
- Zum Nicht-Spüren
Gerade im beruflichen Kontext ist das tückisch. Denn hier treffen private Themen auf berufliche Verantwortung – und eine Kultur, in der Schwäche oft nicht offen gezeigt werden darf.
Wie schnell es gehen kann: Alkohol als Bewältigungsstrategie
Was mit einem Glas beginnt, kann sich unmerklich steigern. Der Mensch gewöhnt sich. Und der Körper auch.
Aus gelegentlichem Trinken wird ein regelmäßiger Automatismus.
Ein festes Ritual. Eine Belohnung. Eine Betäubung.
Viele Betroffene funktionieren im Job weiter – oft sogar überdurchschnittlich engagiert. Nach außen ist nichts zu merken. Doch innerlich wächst die Abhängigkeit – und irgendwann reicht „ein Glas“ nicht mehr.
Warum das Unternehmen hinschauen sollte – nicht nur aus Pflicht
Alkoholkonsum betrifft nicht nur den oder die Einzelne*n. Er betrifft das ganze Team:
- Kolleg*innen müssen Aufgaben auffangen
- Stimmung und Vertrauensklima leiden
- Unfallrisiken steigen
- Die Leistungsfähigkeit sinkt
- Fehlzeiten nehmen zu
Und oft: Keiner spricht es an. Aus Unsicherheit, aus Angst, aus Loyalität. Dabei liegt genau hier die Chance – und auch die Verantwortung von Führungskräften.
Was Unternehmen tun können – und warum es mehr als ein Aushang sein sollte
Ein klarer Umgang mit dem Thema Alkohol braucht mehr als Betriebsvereinbarungen oder Alibi-Schulungen. Es braucht eine Kultur des Hinschauens – ohne Vorverurteilung, aber mit Haltung.
Praktische Schritte:
✅ Aufklärung statt Tabu
Sucht beginnt schleichend – je mehr Mitarbeitende darüber wissen, desto eher kann gegengesteuert werden.
✅ Führungskräfte stärken
Wer Verantwortung trägt, muss wissen, wie man ein Gespräch führt, ohne zu verletzen – und wo die Grenzen der Fürsorgepflicht liegen.
✅ Hinsehen und ansprechen lernen
Nicht aus Neugier, sondern aus echter Sorge. Nicht belehrend, sondern zugewandt.
✅ Kooperation mit externen Stellen
Betriebsärzt*innen, Suchtberatungen, QM-Fachleute: Gemeinsam lassen sich tragfähige Strukturen aufbauen.
✅ Ein betriebliches Gesundheitsmanagement mit Haltung
Vorbeugung, wertschätzende Kommunikation und gelebte Fürsorge sind kein „Extra“, sondern eine Investition in langfristige Stabilität.
Fazit:
Alkoholabhängigkeit entsteht nicht über Nacht. Sie wächst leise – oft über Jahre. Und sie betrifft alle Branchen, alle Hierarchieebenen, alle Altersgruppen.
Unternehmen, die hinschauen, statt wegzusehen, schaffen nicht nur Sicherheit – sondern auch Vertrauen. Und genau das ist die Basis für gesunde Teams und nachhaltigen Erfolg.