In jeder Arbeitsgruppe treffen unterschiedliche Menschen mit eigenen Erfahrungen, Werten und Persönlichkeiten aufeinander. Das kann inspirierend sein oder herausfordernd. Denn wo Menschen zusammenarbeiten, entstehen auch Reibungen. Besonders in Teams, die eng miteinander kooperieren, sind zwischenmenschliche Dynamiken oft entscheidend für Erfolg oder Misserfolg.
Warum es immer wieder zu Konflikten kommt
Die Sozialpsychologie zeigt, dass sich Menschen stark an sozialen Normen, Gruppenzugehörigkeit und dem eigenen Status innerhalb einer Gruppe orientieren (Tajfel und Turner 1986). Wenn unklar ist, wie Rollen verteilt sind oder welche Erwartungen gelten, entstehen schnell Spannungen. Auch die Attributionstheorie (Heider 1958) erklärt, warum Konflikte eskalieren können. Wir neigen dazu, Verhalten anderen Menschen zuzuschreiben, ohne die Umstände zu beachten.
Ein Beispiel: Eine Kollegin wirkt zurückhaltend. Statt nachzufragen, ob sie gerade überlastet ist, wird sie als unkollegial abgestempelt. So entstehen Missverständnisse, aus denen leicht feste Urteile und ungute Teamdynamiken wachsen können.
Der Schlüssel liegt in der Akzeptanz von Charakteren
Eine gesunde Teamdynamik lebt davon, dass Unterschiede erkannt und respektiert werden. Studien zeigen, dass vielfältige Teams erfolgreicher sein können, wenn Verschiedenheit nicht als Bedrohung, sondern als Ressource betrachtet wird (van Knippenberg u a 2004). Nicht alle müssen gleich denken oder arbeiten. Unterschiedliche Perspektiven ergänzen sich, wenn sie Raum bekommen und wertgeschätzt werden. Dafür braucht es ein Teamklima, in dem Individualität willkommen ist und nicht gleich als schwierig gilt.
Führung mit Haltung statt Zurückhaltung
Hier ist die Leitung gefragt. Gute Führung bedeutet nicht, sich neutral zu verhalten, sondern klar und fair hinzusehen. Die Forschung zur transformierenden Führung (Bass und Avolio 1994) zeigt, dass es Führungskräfte braucht, die Werte vorleben, Orientierung geben und frühzeitig eingreifen, wenn sich ungesunde Muster zeigen.
Wenn zum Beispiel einzelne Mitarbeitende gezielt ausgegrenzt oder kleingeredet werden, braucht es kein monatelanges Schweigen, sondern eine klare Positionierung. Denn wenn die Leitung wegschaut, festigen sich Machtspiele, die die Teamkultur langfristig vergiften können (French und Raven 1959).
Nicht jede Spannung ist gleich ein Problem, aber ein ungelöster Konflikt wird eins
Die größte Gefahr für ein Team ist nicht der Konflikt selbst, sondern die fehlende Bearbeitung. Besonders engagierte und leistungsstarke Mitarbeitende haben ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Wenn sie merken, dass Probleme ignoriert oder verdreht werden, ziehen sie sich zurück oder gehen ganz (Adams 1965). Und leider trifft es oft genau die, die etwas bewegen wollen.
Sündenbock gesucht und schnell gefunden
Ein besonders bekanntes und leider häufiges Phänomen in Gruppen ist der sogenannte Sündenbockmechanismus. Die Theorie geht auf Gordon Allport (1954) zurück und beschreibt die Tendenz von Gruppen, ihre eigenen Spannungen, Unsicherheiten oder ungelösten Probleme auf eine Einzelperson zu projizieren.
Wie sieht das im Alltag aus
Stell dir vor, es gibt Unzufriedenheit im Team, etwa durch Überlastung, unklare Prozesse oder mangelnde Kommunikation. Statt gemeinsam nach Lösungen zu suchen, richtet sich der Frust auf eine bestimmte Person, oft die, die unangenehme Dinge anspricht, sich nicht anpasst oder schlicht anders denkt. Die Betroffene wird dann zur vermeintlich schwierigen Person erklärt. Nicht weil sie objektiv problematisch wäre, sondern weil es für die Gruppe entlastend ist, einen Schuldigen zu haben.
Dieser Mechanismus stärkt kurzfristig das Gemeinschaftsgefühl “wir gegen sie”. Doch auf Dauer ist er hochgradig destruktiv. Denn statt echte Ursachen zu klären, wird ein Mensch stigmatisiert. Das schwächt nicht nur die betroffene Person, sondern die gesamte Teamkultur.
Wenn sich Unsicherheit gegen Stärke verbündet
Besonders heikel wird es, wenn sich mehrere unsichere oder konfliktscheue Teammitglieder zusammentun, um gezielt gegen eine starke Persönlichkeit vorzugehen. Diese Dynamik ist oft leise, läuft über Blicke, Tuscheln, passive Aggression oder stille Abwertung. Für Außenstehende wirkt es harmlos, doch für die betroffene Person ist es zermürbend. Die Psychologie spricht hier von koalitionalen Mustern oder defensiver Allianzbildung. Ziel ist nicht selten, die eigene Unsicherheit zu kaschieren, indem man eine andere Person schwächt.
Lösungen für eine faire Teamkultur
- Gespräche frühzeitig führen. Konflikte nicht aussitzen, sondern ansprechen ehrlich und respektvoll
- Eine offene Atmosphäre schaffen. Wer sich sicher fühlt, kann sagen, was er denkt
- Klare Regeln leben. Transparenz in Rollen, Aufgaben und Verhalten schafft Vertrauen
- Stärken im Blick behalten. Wer die Potenziale im Team erkennt, fördert nicht nur Leistung, sondern auch Verbundenheit
Ungesunde Muster erkennen. Wenn Gruppen auf Kosten Einzelner funktionieren, braucht es mutige Führung
Fazit
Zwischenmenschliche Dynamiken sind Teil jeder Zusammenarbeit. Sie sind keine Schwäche, sondern ein natürlicher Bestandteil von Teams. Entscheidend ist, wie damit umgegangen wird. Eine gute Führung erkennt nicht nur, was auf der Oberfläche passiert, sondern auch die verborgenen Muster darunter. Und sie handelt klar, menschlich und mit Haltung. Denn nur so entsteht ein Klima, in dem Menschen gerne arbeiten und ihr Potenzial entfalten können.
Verwendete Theorien und Modelle:
- Tajfel und Turner (1986): Social Identity Theory
- Heider (1958): Attributionstheorie
- Bass und Avolio (1994): Transformationale Führung
- Adams (1965): Equity Theory
- French und Raven (1959): Machtbasen in sozialen Beziehungen
- van Knippenberg u. a. (2004): Diversität und Teamleistung
- Allport (1954): Sündenbockmechanismus