Bindungsangst betrifft nicht nur Partnerschaften, sondern oft auch die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern. Viele Mütter und Väter, die selbst in ihrer Kindheit unsichere oder verletzende Bindungserfahrungen gemacht haben, tragen unbewusst Muster in sich, die auch ihr heutiges Familienleben beeinflussen. Studien zeigen, dass die Art und Weise, wie Eltern Nähe, Vertrauen und Konflikte erleben, direkten Einfluss auf das emotionale Erleben und die Entwicklung ihrer Kinder hat (Main & Solomon, 1990; Mikulincer & Shaver, 2016).
Was ist Bindungsangst überhaupt?
Bindungsangst beschreibt die Furcht vor emotionaler Nähe oder davor, sich auf eine enge Beziehung einzulassen. Menschen mit Bindungsangst wünschen sich oft Nähe, ziehen sich aber gleichzeitig zurück, sobald sie sich verletzlich fühlen. Das kann in Partnerschaften genauso auftreten wie in der Eltern-Kind-Beziehung.
Eltern, die selbst Angst vor Nähe haben, reagieren in Stresssituationen häufig distanzierter oder überfordert, wenn ihr Kind starke Gefühle zeigt. Sie spüren innerlich: „Ich möchte da sein, aber es fällt mir schwer.“
Wie Kinder Bindungsangst der Eltern wahrnehmen
Kinder sind von Natur aus feinsinnige Beobachter. Schon Babys spüren, ob ihre Eltern emotional verfügbar sind. Wenn Eltern in Momenten, in denen das Kind Nähe sucht, unruhig, abweisend oder überfordert reagieren, lernt das Kind: „Ich darf nicht zu viel sein“ oder „Meine Gefühle sind zu viel für andere“.
Langfristig kann dies dazu führen, dass Kinder selbst ein unsicheres Bindungsmuster entwickeln, etwa vermeidend oder ambivalent. Sie lernen, dass Nähe einerseits schön, andererseits aber riskant ist (Cassidy & Shaver, 2018).
Warum Bindungsangst über Generationen weitergegeben wird
Bindungsverhalten wird nicht genetisch, sondern vor allem emotional weitergegeben. Studien zur sogenannten transgenerationalen Weitergabe zeigen, dass Eltern ihre eigenen Kindheitserfahrungen unbewusst an ihre Kinder weitergeben, insbesondere dann, wenn sie unverarbeitet sind (van IJzendoorn, 1995).
Wenn Eltern etwa gelernt haben, Gefühle zu unterdrücken, um nicht verletzt zu werden, fällt es ihnen oft schwer, die Emotionen ihrer Kinder empathisch zu begleiten. Kinder übernehmen dann diese Strategie, um Nähe und Ablehnung besser zu kontrollieren.
Was Eltern tun können
Der wichtigste Schritt ist Bewusstsein. Wer erkennt, dass eigene Unsicherheiten aus alten Erfahrungen stammen, kann beginnen, sie zu verändern. Hilfreich sind:
- Selbstreflexion und Gespräche – z. B. mit Partnern oder vertrauten Menschen über eigene Gefühle sprechen.
- Therapeutische Begleitung – bindungsorientierte oder systemische Ansätze helfen, alte Muster zu verstehen und zu lösen.
- Echte Nähe im Alltag – kurze Momente von Blickkontakt, Zuhören und Berührung stärken die Beziehung.
Geduld mit sich selbst – Bindung heilt durch wiederholte, gute Erfahrungen, nicht durch Perfektion.
Wenn Eltern lernen, ihre eigenen Ängste anzunehmen, geben sie ihren Kindern eine wertvolle Botschaft mit: Nähe ist sicher und darf sein.
Fazit:
Bindungsangst bei Eltern ist kein persönliches Versagen, sondern ein Schutzmechanismus, der einst notwendig war. Doch Kinder übernehmen, was sie spüren – nicht, was man ihnen erklärt. Wer an seinen eigenen Bindungserfahrungen arbeitet, schenkt seinem Kind die Freiheit, Vertrauen, Liebe und Sicherheit zu erleben.
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